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Angst vor Krankheiten verstehen

von Anna Dmitrieva, 06/25, Lesezeit: 5 Minuten

Ursachen und Auswirkungen auf das eigene Leben

Es ist oft nur ein kurzer Moment – ein Ziehen im Bauch, ein Pochen in der Brust – und schon setzt sich das Gedankenkarussell in Bewegung. Könnte mehr dahinterstecken?

In einer Welt, in der Gesundheitsinformationen jederzeit verfügbar sind, kann aus berechtigter Sorge schnell übermäßige Angst werden. Die Angst vor Krankheiten – auch Krankheitsangst oder Hypochondrie genannt – ist dabei kein seltenes Phänomen. Die Angst kann sich dabei allgemein auf diffuse Körpersignale richten – oder sehr konkret sein, etwa als Angst vor der Krankheit, zum Beispiel Krebs, einer neurologischen Störung oder einer schwerwiegenden chronischen Diagnose.

Manche Menschen erleben die Angst vor einer Krankheit so intensiv, dass sie ihren Alltag stark beeinflusst. Häufige Arztbesuche, das wiederholte Recherchieren von Symptomen im Internet oder ein zunehmender Rückzug aus dem sozialen Leben – all das kann ein Hinweis darauf sein, dass Körper und Psyche aus dem Gleichgewicht geraten sind.

Dieser Artikel begleitet Dich dabei, die Angst vor Krankheiten besser zu verstehen und achtsam sowie gestärkt mit ihr umzugehen.

Verstehen der Angst vor Krankheiten

Die Angst vor Krankheiten ist eine Form der psychosomatischen Erkrankung und zählt zu den somatoformen Störungen. Dabei handelt es sich um seelische Belastungen, die sich in körperlichen Beschwerden äußern – ohne dass eine organische Ursache festgestellt werden kann. Typisch für diese Krankheit ist, dass die Betroffenen selbst dann überzeugt sind, ernsthaft krank zu sein, wenn ärztliche Untersuchungen keine körperlichen Befunde ergeben.

Typische Symptome bei Angst vor Krankheiten

Menschen mit Krankheitsangst erleben häufig ähnliche Symptome. Diese können individuell variieren:

Diese Ängste verschwinden nicht durch logische Erklärungen oder medizinische Fakten. Stattdessen halten sich die Sorgen hartnäckig. Hier ist es besonders wichtig, die psychischen Hintergründe ernst zu nehmen und nicht allein im körperlichen Bereich nach Lösungen zu suchen.

Auslöser der Angst vor Krankheiten

Nach aktuellem Verständnis entsteht Krankheitsangst durch das Zusammenspiel mehrerer Einflussfaktoren:

Kindheitserfahrungen:

Viele Betroffene haben bereits in ihrer frühen Lebensphase erlebt, dass Krankheit mit Angst, Kontrollverlust oder Bedrohung verknüpft war – sei es durch eine eigene schwere Erkrankung oder die eines Familienmitglieds.

Erziehungsstil:

Ein überbehütetes oder angstförderndes Elternhaus kann das Vertrauen in die eigenen Körperempfindungen schwächen. Aussagen wie „Du musst gesund sein“ oder „Pass immer gut auf“ brennen sich tief ein.

Persönlichkeitsmerkmale:

Menschen mit einem hohen Maß an Perfektionismus, Unsicherheitsintoleranz oder einem stark ausgeprägten Bedürfnis nach Kontrolle sind häufiger betroffen.

Krankheitsangst und Medical Gaslighting – ein Thema, dem mehr Beachtung geschenkt werden sollte. In unserem Podcast sprechen Johanna und die Psychologin Carolin Weber über genau diese Themen, wie belastend Krankheitsängste für Betroffene sind, was hinter Medical Gaslighting steckt und wie man mit den beiden Themen umgehen kann.

Negative Glaubenssätze:

Oft entwickeln sich Überzeugungen wie: „Nur wer völlig beschwerdefrei ist, ist gesund.“ „Krankheit ist immer gefährlich.“ Diese tief verankerten Denkmuster können das Körpersystem dauerhaft in Alarmbereitschaft halten.

Lebensereignisse im Erwachsenenalter:

Akute Auslöser können Trennungen, der Verlust nahestehender Menschen, chronischer Stress oder belastende Erfahrungen mit dem Gesundheitssystem sein.

Mediale Reize:

Die ständige Präsenz von Krankheitsthemen in Nachrichten, sozialen Medien oder Erfahrungsberichten im Netz kann Sorgen verstärken – insbesondere bei ohnehin sensibler Wahrnehmung.

Auswirkungen der Krankheitsangst auf das tägliche Leben

Ständige Anspannung, Sorgen und innere Alarmbereitschaft wirken sich auf den gesamten Organismus aus. Schlafstörungen, Verspannungen, Erschöpfung und eine erhöhte Reizbarkeit gehören zu den häufigsten Begleiterscheinungen.

Die Angst vor Krankheiten führt nicht selten zu Rückzug, ständigen Gesprächen über Symptome oder dem Vermeiden bestimmter Orte oder Menschen. Freundschaften und Partnerschaften können dadurch belastet werden. Langfristig kann Krankheitsangst zu weiteren psychischen Belastungen führen – etwa zu depressiven Verstimmungen, Panikattacken oder einer generellen Erschöpfung des seelischen Gleichgewichts.

Ursprünge der Krankheitsangst

Um besser mit der Angst vor Krankheiten umzugehen, hilft es, ihren Ursprung zu verstehen. Denn oft wurzelt die Angst tiefer, als es auf den ersten Blick scheint. Sie speist sich aus einer Mischung aus evolutionären Mustern, frühen Erfahrungen und heutigen Einflüssen:

Evolutionärer Hintergrund

Aus evolutionsbiologischer Sicht war es überlebenswichtig, Krankheitszeichen früh zu erkennen. Die erhöhte Wachsamkeit gegenüber Körpersignalen war ein Schutzmechanismus – der jedoch in einer modernen Welt schnell übersteuern kann.

Erziehung und Sozialisation

Kinder, die Krankheit als bedrohlich, übermächtig oder beschämend erfahren haben, übernehmen oft unbewusst ein verzerrtes Bild von Gesundheit und Körper. Auch elterliche Überbehütung oder ständige Warnungen hinterlassen Spuren.

Einfluss der Medien und sozialen Medien

In digitalen Zeiten sind Gesundheitsängste ständig präsent: Warnmeldungen, Erfahrungsberichte, Selbstdiagnosen. Das ständige Vergleichen mit Symptomen aus dem Internet kann Sorgen weiter verstärken.

Praktische Strategien zur Überwindung der Angst vor Krankheiten

Wer unter Krankheitsangst leidet, erlebt nicht nur körperliche Symptome – sondern oft auch ein tiefes Gefühl der Ohnmacht. Die ständige Unsicherheit, die Zweifel an ärztlichen Aussagen, das Grübeln, das kaum zur Ruhe kommt: All das kann lähmen. Doch die gute Nachricht: Veränderung ist möglich. Angst muss nicht für immer bestimmen, wie Du fühlst, denkst und handelst.

Der erste Schritt ist, sie anzuerkennen. Nicht zu verdrängen, nicht kleinzureden. Sondern zu sagen: Ja, da ist etwas. Und ich darf mich darum kümmern.

Hilfreiche Strategien im Alltag

Gefühle benennen:

Manchmal beginnt Erleichterung, wenn Du sagst: Ich habe Angst – statt: Ich habe etwas.

Wahrnehmung schulen

Lerne, Deinen Körper zu beobachten, ohne sofort zu bewerten. Nicht alles, was sich verändert, ist gefährlich.

Gedanken prüfen

Stell Dir Fragen: Was spricht für Deine Sorge? Was dagegen?

Nicht alles allein tragen

Es ist stark, sich Hilfe zu holen – Durch Gespräche, Therapie oder den Austausch mit anderen.

Achtsamkeit und Körperwahrnehmung trainieren:

Übungen wie achtsames Atmen oder Bodyscans helfen, sich von der Angst zu distanzieren.

Kognitive Verhaltenstherapie:

Dieser Therapieform bietet unter anderem Techniken, um gedankliche Muster zu erkennen und zu verändern. Fragen wie „Was spricht wirklich für meine Sorge?“ oder „Was könnte eine alternative Erklärung sein?“ helfen beim Perspektivwechsel.

Beschäftigung und Ablenkung

Kreative Hobbys, Bewegung, soziale Kontakte – all das lenkt die Aufmerksamkeit weg vom Körper und zurück ins aktive Leben.

Entspannung

Atemübungen, Meditation oder progressive Muskelentspannung helfen dem Nervensystem, sich zu regulieren und nachhaltig zu entlasten.

Es geht nicht darum, die Angst loszuwerden. Sondern darum, Dich von ihr nicht länger bestimmen zu lassen.

Umgang mit akuten Angstphasen

Die Angst zeigt sich oft plötzlich. Du kannst nicht immer verhindern, dass die Angst vor einer Krankheit kommt. Aber Du kannst lernen, ihr anders zu begegnen.

Selbstberuhigungstechniken für den Ernstfall

Solche Schritte wirken vielleicht klein. Doch sie helfen, die Kontrolle Stück für Stück zurückzugewinnen.

Langfristige Strategien zur Reduktion der Krankheitsangst

Die Angst vor einer Krankheit entsteht nicht über Nacht – und sie verschwindet auch nicht plötzlich. Aber sie lässt sich verändern. Mit jedem Schritt, den Du gehst. Mit jedem Gedanken, den Du hinterfragst. Mit jedem Moment, in dem Du Dich selbst ernst nimmst.

Was Dich auf Dauer stärkt

Langfristige Veränderung beginnt nicht mit einem großen Plan – sondern mit kleinen Entscheidungen. Immer wieder. Und irgendwann spürst Du: Die Angst ist nicht mehr die Hauptrolle. Du selbst bist es.

Du darfst Dir selbst vertrauen

Die Angst vor einer Krankheit ist kein Zeichen von Schwäche – sondern ein Ausdruck innerer Schutzmechanismen. Sie kann Dich jedoch stark belasten, wenn sie überhandnimmt.

Mit dem richtigen Wissen, kleinen Schritten im Alltag und – wenn nötig – professioneller Hilfe, lässt sich die Angst vor Krankheiten gut bewältigen.

Vertraue darauf, dass Dein Körper vieles kann. Vertraue darauf, dass Du Dir selbst näherkommen kannst. Und erinnere Dich immer wieder: Du bist nicht allein.

Mach den ersten Schritt – und dann den nächsten. In Deinem Tempo, mit Deinem Mut. Tag für Tag ein bisschen mehr.

Über Anna Dmitrieva

Anna Dmitrieva hatte schon immer Interesse an psychologischen Themen. Nach dem Physikstudium und einer Yogalehrerausbildung zeigte sich jedoch, dass das allein nicht erfüllend war. Die Psychologie war mehr als ein Hobby. Die Entscheidung, sich beruflich neu auszurichten, führte zur Ausbildung als psychologische Beraterin und systemisch-lösungsorientierte Coachin. Heute ist Anna als Studientutorin an der ALH Akademie tätig. Ihr Fokus liegt auf einem fundierten, reflektierten Zugang zur Psychologie – jenseits von schnellen Lösungen, aber nah am Menschen.

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