Wie Du Selbstzweifel überwindest
von Caroline de Jong, 11/25, Lesezeit: 6 Minuten
Kennst Du das? Du möchtest einen Menschen ansprechen, den Du attraktiv findest, aber just in dem Moment schießen Dir viele Gründe in den Kopf, warum die anderen Personen Dich nicht attraktiv finden könnte und Du bist in Selbstzweifeln gefangen. Oder Dein Herz brennt für eine Sache, Du willst beispielsweise Menschen in Not helfen, gleichzeitig quälen Dich aber Selbstzweifel, ob Du das überhaupt kannst, ob Du dafür schon weit genug bist, es gut genug kannst etc.
Diese an unserem Selbstwertgefühl nagenden Gedanken kennt wahrscheinlich fast jeder. Wenn auch sie uns auch vielleicht in unterschiedlichen Lebensbereichen oder in Bezug auf unterschiedliche Themen übermannen. In ihrer Wirkung sind sie jedoch immer gleich: Sie bremsen uns aus, halten uns klein und machen das Leben schwer – zumindest dann, wenn Du es ihnen erlaubst.

Was sind Selbstzweifel und wie entstehen sie?
Selbstzweifel sind innere Unsicherheiten, mit einem mangelnden Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten, Entscheidungen oder den eigenen Wert einher gehen. Sie äußern sich häufig in Gedanken wie „Ich bin nicht gut genug“ oder „Ich schaffe das nicht“. Dabei kann man unterscheiden zwischen blockierenden Selbstzweifeln, die oftmals aus einer verzerrten Selbstwahrnehmung aus inneren Prägungen, Wunden oder tiefsitzenden Ängsten entspringen oder angemessenen Selbstzweifeln, die vielleicht einer realistischen, gesunden Selbsteinschätzung entspringen.
Ein Beispiel: An sich zu zweifeln, eine Herz OP erfolgreich durchzuführen, wenn man das noch nie gemacht oder gelernt hat, ist gesund und angemessen. Während ein Arzt, der immer wieder aufs Neue an seinen Fähigkeiten zweifelt, obwohl er fundierte Ausbildungen erfolgreich abgeschlossen hat und bereits diverse Herz OP gemeistert hat, es wahrscheinlich mit blockierendem Selbstzweifel zu tun hat, die oftmals alten Ängsten entspringen. Wenn ein erfahrener Herzchirurg jedoch an seinen OP-Fähigkeiten zweifelt, weil er krankheitsbedingt mit einer andauernden zitternden Hand zu tun hat, dann wären sie wieder ein Ausdruck einer realistischen Selbstreflexion. Entscheidend ist also, aus welchem inneren Anteil die Zweifel an uns selbst entspringen und wie realistisch sie sind, um einzuschätzen, sind sie blockierend oder berechtigt. In diesem Artikel nehmen wir die blockierenden Selbstzweifel näher unter die Lupe.
Häufige Ursachen und Auslöser von Selbstzweifeln
Selbstzweifel entstehen selten aus einem einzigen Grund – meist wirken mehrere innere und äußere Faktoren zusammen. Die Wurzel für lähmende, blockierende Selbstzweifel sind meistens tiefliegende Prägungen und Verletzungen aus der Kindheit, die sich in einer tiefliegenden, inneren Überzeugung nicht gut genug zu sein äußern und meist durch bestimmte äußere Situationen, Personen oder Faktoren getriggert werden. Hinzu kommt dann noch gesellschaftlicher Druck oder auch Illusionen, die durch Social Media geschürt werden und uns vorgaukeln, wie man scheinbar zu sein hätte, um erfolgreich, angesehen etc. zu sein. Auch Misserfolge sowohl in Kindheit als auch im Erwachsenenalter spielen eine Rolle und können dafür sorgen, dass Selbstzweifel schneller in Bereichen anspringen, in denen wir weniger Erfolge zu verzeichnen haben als in Lebensbereichen, die immer sehr erfolgreich verliefen.
All dies sowie eine Neigung zum Perfektionismus, der letztendlich auch aus der Überzeugung „Ich bin nicht gut genug“ entspringt sowie hohen Ansprüchen an sich selbst, bereiten in uns einen starken Nährboden für Selbstzweifel. Ob die Selbtszweifen dann dann laut werden oder nicht, hat oftmals neben äußeren Faktoren auch mit der eigenen Resilienz in dem Moment zu tun. Wenn insgesamt die psychische Belastung gerade hoch ist, dann werden schneller innere Wunden/Ängste berührt und dementsprechend springt der Selbstzweifel schneller an, als wenn Du Dich mental stabil fühlst.
Hör jetzt in unsere Podcastfolge zum Thema inneres Kind rein.
Wie kann ich Selbstzweifel überwinden?
Wir schauen uns mal verschiedene Möglichkeiten an, wie Selbstzweifel besiegt werden können. Die Möglichkeiten kannst Du separat oder auch kombiniert anwenden.
Möglichkeit 1 Selbstzweifel erkennen
Der erste Schritt fürs Besiegen von Selbstzweifeln liegt darin, ihn erst einmal als Selbstzweifel zu erkennen und nicht per se für die absolute Wahrheit zu halten. Dann gilt es zu prüfen, ist es ein Selbstzweifel, der aus einer inneren Wunde entspringt und Dich klein und gedeckelt halten will oder ist es ein berechtigter Zweifel, der auf einer realistischen, angemessenen Selbsteinschätzung basiert. Diese Unterscheidung kann sehr schwerfallen. Hier kann Dir z.B. Dein Gefühl helfen, um Klarheit zu erhalten. Fühlst Du Dich eher klein, gedeckelt während Du daran denkst, was Du nicht kannst oder bleibst Du innerlich aufgerichtet und groß? Ist der Selbstzweifel innerlich vernichtend und zermürbend oder recht neutral? Wie ist die Einschätzung anderer Menschen, die Dich gut kennen? Wenn andere Menschen es Dir zutrauen, du Dich jedoch innerlich klein, und gedeckelt fühlst und Dich mit den Selbstzweifeln fertig machst, dann kann das ein Hinweis für den blockierenden Selbstzweifel sein, der innere Zuwendung braucht.
Wenn Du es als einen blockierenden Selbstzweifel entlarvt hast, dann kannst Du weiterforschen, um Ursprung und Auslöser zu erkennen:
- Wann treten meine Selbstzweifel besonders stark auf?
- Welche Situationen oder Personen lösen sie aus?
- Welche Erfahrungen aus meiner Vergangenheit könnten meine Unsicherheit geprägt haben?
So kannst Du Trigger erkennen, um ggf. den Selbstzweifel in Dir anders einzuordnen und damit weniger Glauben zu schenken.
Möglichkeit 2 Selbstzweifel durch Nüchternes betrachten besiegen
Du kannst Dich auch Deinen Gedanken zuwenden, und für Dich folgendes ergründen:
- Welche Gedanken gehen mir durch den Kopf, wenn ich an mir zweifle?
- Sind diese Gedanken objektiv oder beruhen sie auf Annahmen und Vergleichen?
- Würde ich so streng mit einem Freund oder einer Freundin sprechen, wie ich es mit mir selbst tue?
- Welche Beweise gibt es dafür, dass ich etwas nicht kann – und welche dagegen?
- Welche Stärken, Fähigkeiten oder Erfolge übersehe ich oft?
- Wie würde eine neutrale Person meine Situation beurteilen?
Wenn der Selbstzweifel aus einer Angst Fehler zu machen entspringt, dann kannst Du Dich auch folgendes Fragen:
- Was bedeutet „Fehler machen“ für mich?
- Welche Erwartungen habe ich an mich selbst – und sind sie realistisch oder überhöht?
- Was könnte ich gewinnen, wenn ich mir selbst mehr Nachsicht und Vertrauen entgegenbringe?
Möglichkeit 3 Selbstzweifel durch emotionale Zuwendung besiegen
Da sich Selbstzweifel zwar gedanklich äußern , aber in der Regel einer inneren Wunde oder Angst entspringen, kann es sehr hilfreich sein, sich auch emotional sich selbst zuzuwenden und innerlich zu benennen, welche Emotionen da sind. Wo im Körper spüre ich die Angst? Gibt es da vielleicht auch eine Traurigkeit, die ich nicht zulasse? Wenn ja, wo spüre ich sie? Du kannst ggf. eine Hand an die Stelle am Körper legen, um im Sinne der Achtsamkeit die Gefühle zu zulassen und zu spüren. Vielleicht verebben die Gedanken schon allein dadurch. Ansonsten kannst Du Dich auch fragen:
- Was brauche ich im Moment, um mich sicherer zu fühlen?
- Wie kann ich mir selbst gegenüber genauso freundlich sein, wie ich es bei anderen bin?
- Dann führe mit Dir ein Positives Selbstgespräch, hierfür kann es helfen sich zu fragen, was würde ich gerne hören oder was würde ich einer Freundin sagen, wenn sie in meiner Situation wäre?
- Oder stärke Dich mit Hilfe von Affirmationen wie z.B. „Ich bin gut genug so wie ich bin.“ „Ich schaffe das schon, es wird alles gut.“
Möglichkeit 4 Praktische Strategien um Selbstzweifel zu überwinden
Wenn eine gewisse Regulation stattgefunden hat und Du Dich frei genug fühlst, um kreativ Lösungen zu finden, dann kannst Du Dir auch mit Hilfe folgender Fragen eine Strategie überlegen, die Dich unterstützt und stärkt.
- Welche kleinen Schritte kann ich unternehmen, um mein Selbstvertrauen zu stärken?
- Welche Art der Unterstützung bräuchte ich und wie und wo kann ich sie finden?
Hier ein paar praktische Strategieideen, die zur Überwindung von Selbstzweifeln helfen können.
- Praktische Hilfe von Außen fragen: Wie kannst Du Dir Kompetenzen beispielsweise durch Ausbildungen oder Schulungen aneignen, um Dir weiteres Wissen anzueignen. Oder Dir die nötige innere Unterstützung beispielsweise durch Coachings besorgen, um Deinen Wunsch zu erreichen?
- Sozialen Support aktivieren: Spür in Dich hinein, mit wem würdest Du gerne über das Thema sprechen? Bei wem würdest Du Dich gut aufgehoben und gestärkt fühlen? Und dann geh auf die Person zu, um den sozialen Support zu bekommen, den Du brauchst.
- Erfolge bewusst wahrnehmen und feiern: Was ist mir gut gelungen? Dies kann Selbstvertrauen und die Perspektive auf Dich und Deine Fähigkeiten stärken.
- Realistische Ziele setzen bzw. Anspruch ggf. senken – besonders hilfreich bei Perfektionismus: Hierzu lohnt es sich mal zu schauen, wie andere Dinge angehen und machen, die nicht von Perfektionismus getrieben sind.
- Neue Herausforderungen annehmen und aktiv bleiben: Sich bewusst machen, warum es hilft, aus der Komfortzone zu treten und sich selbst auszuprobieren. Hierfür kann man auch reflektieren, wo man dies bereits in der Vergangenheit gemacht hat und zu welchem Wachstum es geführt hat

Umgang mit Rückschlägen und Kritik
Selbstzweifel wollen uns vor Rückschlägen und Kritik bewahren - also vor Schmerz, den wir dadurch erfahren würde. Sie haben also gute Absichten, fügen uns dabei allerdings schon in dem Moment Schmerz zu und nehmen uns auch Chancen für neue Erfahrungen, die uns erblühen und wachsen lassen. Und muss ein Rückschlag oder Kritik überhaupt zu Schmerz führen oder ist das nicht auch eine Frage, welche Bedeutung ich dem Ganzen gebe? Wie ich diese sehe?
Wenn man sich englischsprachige Interviews anschaut, in denen ältere Leute gefragt werden, was sie dem jüngeren Ich empfohlen würden, dann sagen sie oftmals: Hab weniger Angst vor Rückschlägen, sie sind Chancen zu Lernen und zu wachsen.
So kann es helfen, der Angst vor Rückschlägen und Kritik den Nährboden zu nehmen, indem man seine eigene Haltung dazu reflektiert:
- Kann ich Rückschläge als Lernerfahrung und Teil des Lebens sehen?
- Was habe ich aus vergangenen Rückschlägen gelernt? Wie bin ich daraus gewachsen?
Es kann auch interessant sein, sich Biografien von sehr erfolgreichen Menschen anzuschauen, die oftmals auch viele Rückschläge verzeichnen mussten, bevor sie berühmt und erfolgreich wurden. Geht es also hauptsächlich nicht viel mehr ums Dranbleiben, Ausprobieren und Lernen anstatt Vermeiden?
Du kannst auch schauen, wie Du mit Kritik umgehst. Ziehst Du Dir jeden Schuh an oder kannst Du sie filtern, destruktive Kritik von konstruktiver unterscheiden und sie positiv für Dich nutzen? Fühlst Du Dich bei Kritik gleich zutiefst in Deiner Person entwertet oder kannst Du sie nur auf ein Verhalten beziehen?
Selbstzweifeln liebevoll begegnen
Selbstzweifel kennen wir alle und die gute Nachricht ist, man ist ihm nicht ausgeliefert, sondern kann was dagegen tun. So kann es helfen zu verstehen, dass er Dich schützen will, um ihm so erstmal annehmend und liebevoll zu begegnen während gleichzeitig nüchtern abgewägt wird, ist er realistisch oder nur Ausdruck einer inneren Unsicherheit? Wenn er einer inneren Unsicherheit entspringt, dann kannst Du Dich Deinem innerlich verunsicherten Anteil liebevoll zuwenden, ihn nähren und beruhigen oder auch Dir kognitiv die Situation relativieren, indem Du Dir Stärken bewusst machst.
Du kannst Dich auch in einem liebevollen Umgang mit Dir selber üben, indem Du eine Perspektive einer Freundin Dir bewusst machst, die liebevoll auf Dich schaut oder gar sozialen bzw. praktischen Support von außen fragst. So kannst Du Mut und Kraft in Dir finden, um trotz Ängstlichkeit Deinem Herzen zu folgen und Dir Deine Wünsche zu erfüllen bzw. spannende Herausforderungen anzunehmen. Schließlich bereut man hinterher eher das, was man nicht gemacht hat, als das, was man mutig trotz Ängste gemacht hat- schließlich konnten wir aus jeder Erfahrung immer lernen.

Über Caroline de Jong
Caroline de Jong arbeitet mit ihrem Hintergrund als Psychologin (MSc.), Körper-Psychotherapeutin, Achtsamkeits- und Yogalehrerin sowohl als Studientutorin als auch als Dozentin an der ALH-Akademie, an der sie u.a. die Ausbildung zum Achtsamkeitstrainer entwickelt hat und betreut. Seit über 15 Jahren beschäftigt sie sich mit Positiver Psychologie, Bewusstseinsentwicklung und Ganzwerdung und freut sich über jeden, der auf diese Themen neugierig ist.